22 Februar 2013

Lauschprobe ~ Der Brief, den ich nie schrieb

Briefe leben, 
atmen warm und saugen mutig, 
was das bange Herz gebeut.
(c) Heloise an Abädard

Hallo ihr Lieben,

zum Wochenende hin würde ich euch gerne unter diesem Motto eine Lauschprobe mit Text von meiner Kurzgeschichte "Der Brief, den ich nie schrieb" präsentieren. Was denkt ihr, kann man das als lyrisches Werk bezeichnen?




Ich werde ihn immer bei mir tragen. Den Brief, den ich nie schrieb.

Er würde dir erzählen, von unserem Haus am Meer. Ein Ort, an dem gebrochene Seelen heilen und Kinder im Garten spielen. Wo Löwenzahn den Asphalt durchbricht und Gänseblümchen Wiesen weiß besprenkeln. Meine Gedanken würde ich dir verraten – obgleich sie nur von dir erzählen.

Der Brief, den ich nie schrieb – er würde niemals enden. Denn ein Gefühl zu erfassen, bedarf mehr als tausend Worte und doch sind sie alle stumm gestellt. Erzählen würde ich dir, von unserer Geschichte, in Bildern und Reimen. Du wärest meine Frau und ich dein starker Steuermann.

In meinen Zeilen würde ich malen, dir die schönsten Kleider. Und würde dir zu Füßen legen, alles, was ich habe.
Ich werde ihn immer bei mir tragen. Auch wenn du ihn nicht lesen willst – und eine Antwort würde ich erwarten, auf Zeilen, die dich nicht erreichen.

Lieben würde ich sie – auch heute – deine Kinder, obgleich sie die meines Bruders sind.
Und bin ich kein Abenteurer, so kann ich wenigstens erzählen von Luftschiffen und Schlössern, die über den Wolken stehen. Dass sie schlafen ohne Angst und mit dem Gewissen, in einer besseren Welt zu leben.

Der Brief, den ich nie schrieb – er würde dir gefallen. Aus recyceltem Papier, mit Naturtinte geschrieben - um die Umwelt zu schützen, die dir so lieb und teuer ist.
Er würde dir versprechen, alles, was du verdienst. Würde deine Liebe entfachen, die du an einen anderen verschenktest. Wie ein Vogel würde ich mich in dein Herz einnisten, und mir ein Heim aus Liebe bauen. Dir ein Boot aus Eiche schnitzen, die in unserem Garten wächst. Dich über das Meer tragen, an ferne Ufer – und kommt ein Sturm auf, so werde ich dein Retter sein, und dich in seichte Gewässer tragen.

Der Brief, den ich nie schrieb – ich werde ihn in mir bewahren.
Dir leise ins Ohr, die schönsten Verse flüstern. Auch wenn ich kein Goethe bin, so würde  ich trotzdem dichten, in allen Farben und Formen, bis du zu Tränen gerührt in meinen Armen liegst.
Ein Heim aus Karten baue ich dir – damit du nie genug vom Spielen kriegst und ich dir ein Joker bin für alle deine Züge.

Mein Brief wäre ein Lied, das in der Seele wohnt und niemals verklingt. Der dich tanzen lässt bis in die frühen Morgenstunden, so dass du erschöpft den Sonnenaufgang über dem Ozean siehst und mit leisen Tönen in einem Bett aus Gras – aus meiner Saat – einschläfst.

Der Brief, den ich nie schrieb – er geht auch hier zu Ende. Denn wo ein Leben stirbt, bleibt auch das Wichtigste ungesagt.
Es ist egal, was ich dir sagen will, es ist auch hier zu spät.

Und komm ich her und bringe dir Blumen, so liegt doch irgendwann, ein Brief auf deinem Grab – nicht aus meiner Hand.
Dein Mann, er hat sie gefunden, Worte die ich nie fand. Und zum Abschluss hinterlässt er dir Papier, wo ich nur Sehnsüchte für dich habe.


(c) Casandra Krammer

3 Kommentare

  1. Ich habe dich für den Best Blog Award nominiert:)
    http://marens-buecherkiste.blogspot.de/2013/02/best-blog-award_24.html

    Liebe liebe Grüße
    Maren:)

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  2. der Brief ist recht tiefsinnig ...und ählich einem Gedicht. Der Leser kann den Sinn hinein lesen. Ja, ich finde ihn lyrisch.
    lg
    susi sorglos

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  3. Wahnsinnig gut! Dieser Brief regt mich persönlich zum Nachdenken an.
    Deine Stimme ist sehr wohlklingend, man mag dir gerne zuhören :)

    LG Celly von http://idatebooks.blogspot.de

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